Mittwoch, 1. September 2010

Chauffeur ins Schlemmerglück

hf / pixelio.de
Von David Gordon Smith
Wo soll's hingehen? 
"In Ihr Lieblingsrestaurant", sagt die Amerikanerin Layne Mosler, wenn sie in ein Taxi einsteigt. 
In ihrem Blog "Taxi Gourmet" stellt sie die Tipps der Fahrer vor. 
Im Moment ist sie in Berlin unterwegs, isst jede Menge Döner.
Für die Frage, wo man gut zu Mittag essen kann, ist dieser Taxifahrer eigentlich nicht der ideale Ansprechpartner: "Ich habe Ramadan jetzt", sagt er.
"Wir essen und trinken nichts bis abends um Acht."
Aber Layne Mosler weist er nicht zurück; bald macht sich das Taxi auf den Weg nach Berlin-Kreuzberg. Dort gebe es ein Restaurant, das die türkische Pizza genau so zubereite wie die Leute in seinem Heimatdorf, sagt Taxifahrer Eren Polat.
Layne Mosler ist eine amerikanische Bloggerin, besser bekannt als "Taxi Gourmet": Sie setzt sich in Städten wie Buenos Aires, New York und Berlin ins Taxi und bittet die Fahrer, sie zu deren Lieblingsrestaurants zu fahren. 
So hat Mosler bereits einige großartige Entdeckungen gemacht.
"Ich bin seit sechs Wochen in Berlin und weiß bereits, wo es die besten Köfte-Fleischbällchen, das beste Künefe-Dessert und außergewöhnlich guten Döner gibt - alles dank der Taxifahrer", sagt Mosler.
"Diese Orte hätte ich alleine nie entdeckt."
Auf ihren Berliner "Taxi-Abenteuern", wie Mosler sie nennt, hat sie bisher noch nicht viel aus der deutschen Küche aufgespürt: Der Großteil der Fahrer, die sie in Berlin getroffen hat, war türkisch. 
"Ich habe viel über die verschiedenen Arten und Nuancen von türkischem Essen gelernt. 
Ich habe Sachen probiert, die wirklich hervorragend schmecken und die ich in New York nicht bekommen würde."
Mosler, die aus Orange County in Kalifornien stammt, schreibt über ihre Erlebnisse in einem Blog
Seit sie diesen im Mai 2007 begann, hat sie bereits Hunderte Restaurants ausprobiert. 
In 30 bis 50 Prozent davon würde sie noch einmal gehen, sagt sie. 
"Man muss sehr oft essen gehen, bevor man etwas wirklich Außergewöhnliches findet."
Die Leidenschaft für Essen liegt in ihrer Familie: Moslers deutscher Großvater war gelernter Schlachter in Long Beach, die Frauen auf beiden Seiten der Familie seien fantastische Köche, und ihr Vater backt das Brot der Familie selbst. 
"Wenn ich nach Hause komme, kaufen wir ein, kochen, essen - und am nächsten Tag geht das wieder von vorne los", sagt Mosler.
Die Idee zu Taxi Gourmet entstand, als Mosler in Buenos Aires lebte, wo sie Tango lernte und viel Taxi fuhr. Sie entdeckte, dass die Fahrer mehr über die Stadt wussten als alle anderen.
"Ich nahm an, dass sie darum auch die Orte kennen, an denen man am besten gut und günstig essen kann - die Orte, die nicht in den Reiseführern stehen."
Irgendwann hatte sie genug davon, über argentinisches Essen zu schreiben. 
"Mir gingen die Formulierungen aus, mit denen man Rindfleisch beschreiben kann", sagt Mosler. 
Sie zog nach New York und setzte ihre Taxi-Abenteuer hier fort.
Wohl keine andere Stadt biete so eine vielfältige Taxi-Welt: "Ich wusste nie, woher der Fahrer stammen würde", erinnert sich Mosler. 
"Das Schöne war, dass das Essen, das die Leute empfahlen, nicht immer mit ihrer Herkunft zu tun hatte: Ein marokkanischer Fahrer führte mich zu einem wundervollen Kubaner und ein Portugiese empfahl mir ein großartiges kleines japanisches Nudelrestaurant."
Während Mosler in New York lebte, machte die studierte Anthropologin ihre Taxilizenz, um ihr Sujet besser zu verstehen. 
"So konnte ich zu den Fahrern als Kollegin sprechen, nicht bloß als jemand, der nur neugierig ist", sagt Mosler. 
"Taxi zu fahren half mir, mich in ihre Lage zu versetzen."
Während er durch Berlin fährt, erzählt Taxifahrer Eren Polat, dass er aus einem türkischen Dorf aus der Nähe von Konya stammt.
Vor sechs Jahren kam er nach Berlin, weil seine Frau hier lebt.
In der Türkei arbeitete er als Hotel-Restaurant-Manager. 
Weil sein Englisch nicht gut genug sei, um in einem Hotel zu arbeiten, muss er in Deutschland Taxi fahren.
Für Mosler macht diese Interaktion mit den Fahrern die Taxi-Abenteuer so besonders. 
"Man trifft Leute, die einen überraschen und es ist sehr unwahrscheinlich, dass man sich je wieder sieht", sagt sie.
"Man gibt viel mehr von sich preis, ist manchmal ehrlicher als zu einem Freund. 
Das ist das Besondere am Taxi."
Am Restaurant "Konyali" angekommen, erklärt Polat die Speisekarte. 
Er bestellt für Mosler ein "Konya Etli Ekmek", eine Art türkische Pizza, und ein Glas selbstgemachten Ayran, ein joghurtbasiertes Getränk. 
Polat besteht darauf, schon jetzt Künefe als Dessert zu bestellen, denn die Spezialität aus mit Käse gefülltem Blätterteig benötigt einige Zeit zur Zubereitung.
Ein paar Minuten später kommt das Essen. 
Das Etli Ekmek ist ein köstlicher Berg selbstgemachter Pide-Stücke, belegt mit Hackfleisch und Petersilie. Ganz Blogger macht Mosler erst ein Foto, bevor sie mit den Essen loslegt. 
"Es ist wirklich gut", sagt sie und vergibt ihre größte Auszeichnung: "Ich würde auf jeden Fall wiederkommen."
Nach ihrem Berlin-Aufenthalt wird Mosler zurück nach New York gehen, um ein Buch über ihre Taxi-Abenteuer auf drei Kontinenten zu schreiben. 
Neben einem Porträt der drei Städte und ihrer Esskultur wird das Buch auch Moslers persönliche Reise beschreiben: "Durch die Begegnung mit Taxifahrern und Fahrgästen, die einen immer wieder überraschen, bin ich viel unvoreingenommener als zuvor", sagt sie. 
"Eigentlich bin ich ziemlich schüchtern und introvertiert. 
Diese Erfahrung hat mich gezwungen, mich zu öffnen und mit Leuten zu reden."
Mosler sagt, dass sie beim Taxifahren das anwenden kann, was sie im Tanzkurs gelernt hat: "Beim Tango geht es darum, folgen zu lernen und sehr präsent zu sein, aber gleichzeitig auch sehr offen und beweglich", sagt sie. "Man braucht genau die gleichen Eigenschaften, wenn man in ein Taxi steigt und sein Schicksal in die Hände des Fahrers legt."

3 Kommentare:

  1. Schade, dass wir das nicht früher wussten, da hätten wir uns noch ein paar Tipps für Berlin abholen können. Wir haben aber auch sehr gut gespeist, allerdings gab's kein einziges Mal nen Döner!

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  2. Coole Idee. Das Blog schaue ich mir direkt mal an. In Reiseführern steht halt oft nur die halbe Wahrheit ;)

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  3. Das klingt sehr sehr interessant und ich bewundere die Frau für ihre tolle Idee und ihren Mut.
    Das Buch kommt schon mal auf meinen Wunschzettel.

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